Geschätzte Leser,

am 2020-02-12 20:19, schrieb mir ein Leser unter Angabe all seiner Klardaten, also incl. Anschrift und Telefonnummer:

Sehr geehrter Herr Usmiani,

 

erst vor wenigen Wochen stieß ich auf Ihre Internet-Seite, habe jedoch seither einiges und regelmäßig von Ihnen gelesen.

 

Heute nun stellte sich bei mir hierbei erstmals ein unwillkürliches Kopfschütteln ein und so komme ich nicht umhin, Sie nach der Ursache zu befragen.

 

Es geht um diese Textpassage:

 

“…und Deutschland besonders den von mir sehr geschätzten Israelis gegenüber in einer ewigen Schuld steht.” (Die Hervorhebung erfolgte durch mich, Anm. d. Red.)

 

Da ein Land nicht Einwohnern eines anderen Landes, einer Glaubensgemeinschaft oder welcher Gruppe von Menschen auch immer irgend etwas Schulden könnte vermute ich, dass Sie meinen, Deutsche würden Israelis gegenüber “in ewiger Schuld stehen”.

 

Derartiges von Ihnen zu lesen überrascht mich (im negativen Sinne) sehr.

 

Sie erinnern mit dieser Aussage an den Koks-und-Nutten-Michel Friedmann. Der tingelte schon vor 20 Jahren mit seiner “ewige Erbschuld der Deutschen”-These durch alle möglichen Talkshows und sein eigentliches Anliegen dabei war schon seit je her leicht durchschaubar; es ging schlicht um extrem viel Geld (für ihn und selbsterklärte Berufsopfer, vornehmlich 3ter und 4ter Generation, die das goldene Kalb deutscher Wiedergutmachungszahlungen nicht verrecken lassen wollten und wollen).

 

So unlauter und durchschaubar Koks-Michels Predigtziel bis heute ist, so unverständlich ist mir der Satz aus Ihrer Feder.

 

Ich bin Deutscher. Ich schulde jedoch garantiert keinem Israeli irgend etwas. Und schon gar nicht “auf ewig” – ein überflüssiger Superlativ, der in der Natur keine Entsprechung findet, da “die Ewigkeit” nur eine Illusion ist.

 

Es gibt in zivilisierten Kulturen weder eine Erbschuld, noch eine Sippenhaft.

 

Ich trage daher keine Verantwortung für das Handeln vorangegangener Generationen. Zumal ich zum Tatzeitpunkt noch nicht einmal “als Joghurt” in einem Kühlschrank stand.

 

Sicher tut jeder Mensch gut daran, Fehler der Vergangenheit zu erkennen, zu bewerten, sie entsprechend nicht zu wiederholen, somit daraus zu lernen und letztendlich dadurch kulturelle Evolution zu ermöglichen – mit Schuld eines Nachgeborenen hat das aber nichts gemein.

 

Wie kommen Sie nur darauf, dass das anders wäre?

 

Mit freundlichem Gruss

 

XYZ XXXXXXX

Ich fühlte mich sehr geehrt, dass der gute Mann sich überhaupt die Mühe macht mit mir in Kontakt zu treten, und dann auch noch in einer absolut respektablen Weise. Er äußert seine Kritik an meiner Aussage in einem freundlichen und doch deutlichen Duktus. Er beschimpft mich nicht, so wie das heute beim linksrotzgrünen Gesindel ja Usus ist, und er ist ganz offenbar auch nicht auf den Kopf gefallen.

Vor Allem aber brachte er mich zum Nachdenken darüber, ob denn das von mir gewählte – typisch deutsche –  politische Argument der so oft propagierten “Erbschuld” eigentlich richtig gewählt war bzw. ist. Denn ich habe die Nazi-Schuld tatsächlich genau so wenig geerbt wie er. Vielen Dank für diese Anregung!

Ich hoffe, dass es mir in meiner Antwort an ihn gelungen ist einen neuen Begriff zu finden, der es möglicherweise vielen Biodeutschen leichter macht mit der Nazivergangenheit ihrer Altvorderen besser zurecht zu kommen.

Ich würde es mir wünschen, damit diese elende Spaltung, die Deutschland gerade durchleidet, hoffentlich bald ihr Ende findet. Vor Allem aber hoffe ich, dass das Land nicht noch weiter in die Extreme abdriftet. Denn Gewalt war noch nie ein guter Ratgeber für eine Zivilgesellschaft.

Lieber Herr XYZ XXXXXX,

 

selbst ich als “Zugereister” und “Eingedeutschter” stehe bei den Israelis in einer ewigen Schuld. Aber vielleicht habe ich mich tatsächlich etwas falsch ausgedrückt (Deutsch Sprak für Kanack manchmal schwer Sprak 😉 ). Mir geht es darum klar zu stellen, dass jeder Deutsche und egal gleich welcher Generation er ist, ein echtes Bekenntnis zum “Nie wieder” abgibt, es vor allem aber auch emfpindet. (Der Rechtschreibfehler ist so im Original, weshalb ich ihn nicht korrigiert habe, denn das wäre m.E. unlauter, Anm. d. Red.)

 

Wir Kroaten werden auch gerne als Nazis verunglimpft (besonders gerne von den deutschen Medien) aber – ich wiederhole mich gerne – bei uns müssen keine Synagogen geschützt werden. Ja, auch bei uns gibt es aber tatsächlich Nazis. Und viele von denen, die ich zumindest kenne, haben vor den Israelis allergrößten Respekt. Und nun ist ja eigentlich ein jeder “echter” Israeli per se Jude, oder nicht?

 

Friedmann ist ein intelligenter Kerl und begabter Nuttenpreller unter Koks. Ich mag ihn nicht besonders, achte ihn aber trotzdem. Teils finde ich ihn sogar recht amüsant, ich mag Provokateure. Er ist aber noch einer dieser Dauerverfolgten, die – und da gebe ich Ihnen absolut Recht – vermutlich noch nach seinem Tode auf der ihn ewig nährenden Ähre des Naziweizens herum dreschen wird. Friedmann ist ein typisch deutsches Medienprodukt und daher für mich zumindest nicht besonders Ernst zu nehmen.

 

Natürlich haben Sie nichts mit dem zu tun was Ihre Vorfahren – eventuell – angestellt haben. Mir ist auch nicht bekannt, dass es ein Nazigen gäbe. Ich bin jedoch der Meinung, dass es zum Nationalbewusstsein eines Deutschen wie selbstverständlich dazu gehören sollte zu sagen: “Ja, wir haben in der Tat riesengroße Scheiße gebaut”. So, und jetzt kommt der für mich entscheidende Punkt:

 

Die Linken laufen herum und glauben, dass es ausreiche alle Anderen als Nazis zusammenzubrüllen. Das ist eine verflixt einfache Art der Vergangenheitsbewältigung, nämlich gar keine. Es ist sogar Geschichtsvermeidung und zeugt von maximaler Unbildung.

 

Ich habe – so betrachtet – ja keine wirkliche Nazivergangenheit – also zumindest genetisch nicht, was ich ja oben bereits als Schwachsinn deklariert habe – und empfinde trotzdem eine Schuld. Verwehre mich aber ausdrücklich gegen einen ewigen Schuldkult, den es so nur in Deutschland gibt!

 

Der Begriff des “Schuldempfindens” ist vermutlich nicht glücklich gewählt. Aber stellen Sie sich bitte einfach mal vor, dass ich schon als kleines Kind (mit ca. 5 Jahren) im ÖR-Rundfunk die ganzen grausamen Berichte über die KZs, die Vergasungen, die Gerippe und die ganzen anderen furchtbaren Bilder sehen “durfte”. Da hockte ich nach der Schule alleine im Wohnzimmer vor dem Fernseher, derweil meine Mutter z.B. zum Quatschen bei der Nachbarin war. Heute wäre das im TV so gegen 15 Uhr absolut unvorstellbar. Derlei Horror bekommen Sie allenfalls noch zu später Stunde auf phoenix zu sehen. Und ich war klein, ich lebte in Deutschland, ich sprach Deutsch und ich war gefühlt deutsch. Was denken Sie werde ich mir beim Anblick der furchtbaren Bilder wohl gedacht haben?

 

Und als ich irgendwann älter wurde, begann ich mich zu fragen, ob ich selbst jemals zu derlei Gräueln im Stande gewesen wäre. Nun bin ich bekanntlich Jurist, und natürlich erlebte ich auch während des Studiums, wie divergierend die Auffassungen zum angeblichen Nazi-Unrechtsstaat waren. Faktisch war er keiner, es gab für jeden toten Juden ein blitzblank ausformuliertes Gesetz. Zumindest aber ein blitzsauber ausgefülltes Formular.

 

Doch zurück zur Erbschuld. Nennen wir sie vielleicht doch besser Erbverantwortung. Erst wenn sich wirklich ein Jeder von uns ernstlich davon freisprechen kann, dass er sich seinerzeit nicht nur nicht an dem Regime beteiligt hätte, sondern sich ihm konsequent verweigert hätte, dann bin ich mir sicher, dass Deutschland und alle in ihm wohnenden Menschen die schwärzeste Phase der deutschen Geschichte wirklich verarbeitet haben.

 

Was ich aktuell in Deutschland feststelle ist so etwas wie die Hetzjagd auf angebliche Nazis mit exakt den Mitteln der Nazis und unter falscher Flagge. Sie machen aber nun einmal aus einem Maserati keinen Ferrari, bloß indem sie ihn rot färben. Eine der Rennfarben von Maserati ist übrigens ein AfD-ähnliches Blau.

 

Ich bedanke mich für Ihre Email und hoffe Ihnen auf diesem Wege meine Intention des Satzes erläutert haben zu können. Es ist in derart überemotionalisierten Zeiten offenbar nicht mehr einfach in der notwendigen Kürze eines Blogartikels den richtigen Ton zu treffen.

 

Viele Grüße

 

Jerko Usmiani