WELT-Redakteur müsste man sein

Dann könnte man einen 510 PS Alfa fahren

Alfa Romeo ist eine heilige Marke. Zumindest für Menschen, die etwas von Autos verstehen und von Hochkultur und Musik und Kunst und Design. Ein Jahr nach dem „Futuristischen Manifest“ 1910 in Mailand gegründet, bauten die norditalienischen Meister Limousinen, Coupés und Sportwagen, wie Palladio Villen entwarf und Michelangelo Kapellen bemalte: virtuos, sinnlich, aufregend. Die Motoren klangen wie Verdi, die Männer, die sie fuhren, sahen aus wie Lino Ventura. Alles war gut. (https://www.welt.de/wirtschaft/article204542732/Fusion-von-PSA-und-Fiat-Chrysler-Gott-schuetze-Alfa-Romeo.html)

Ja, und der kleine Jerko als echter Petrolhead hatte auch ein paar Alfas. Genau genommen folgende Modelle:

Den fuhr ich als Schüler kurze Zeit. Damals waren Youngtimer bzw. Oldtimer in Mode gekommen. Oldtimer war ja seinerzeit alles über 20 Jahre. Ich hatte ihn als GTV 2000 Bj. 1972. Ein wunderbares Auto und mit 131 PS ordentlich motorisiert. Echte 200 km/h schnell. Dafür waren die Ventile aber saumäßig kompliziert einzustellen (mit so kleinen Plättchen) und die Weber-Vergaser sowieso. Fazit: Auf Dauer zu teuer für einen Schüler.

Während meines Studiums besorgte ich mir für kurze Zeit einen hübschen Alfasud Sprint 1.5 Trofeo, der ziemlich genau so ausschaute.

Den verkaufte ich mit etwas Gewinn weiter. Inzwischen sind die Teilchen sehr selten, galten sie doch nicht als richtige Alfas, sondern waren hübschere Alfasud. Die meisten von ihnen segneten durchgerostet auf italienischen Schrottplätzen das Zeitliche. Mit Klimaanlage wäre das ein nettes Wägelchen für die Insel, aber ich habe bei Mobile.de noch nie einen mit Klima gefunden.

Die Zeit ging ins Land und der kleine Jerko fuhr als armer Student teils so grauselige Autos wie einen Golf II GTD. Als ich dann meinen ersten Job bei der DATEV bekam, war der 156er in meinen Focus gerückt. Was für ein wunderschönes Auto. Ich rief bei Alfa an, fragte nach den Leasingkonditionen und übernahm dankend den BMW 520i eines scheidenden Kollegen zu Sonderkonditionen. Der Alfa war so unverschämt teuer, dass es kein Wunder ist, dass die in Deutschlands Firmenflotten absolut nichts zu melden hatten. Erst zwei Jahre nach Beginn meiner Selbständigkeit kaufte ich einer von mir betreuten Kanzlei einen 156er 2.5 V6 24V ab, der ungefähr so ausschaute.

Die Farbe stimmt, die Felgen auch, meiner hatte aber dunkelblaues Leder und war natürlich kein spiegelverkehrter RHD. Das Auto war klasse, aber mit 193 PS doch 10 km/h langsamer als der gleich starke BMW 328 ci meines guten Kumpels, warum auch immer. Obwohl ein Erstserienfahrzeug hielt er sich ziemlich gut und endete nach einem fremdverschuldeten Unfall leider als wirtschaftlicher Totalschaden.

Aufgrund der grundsätzlichen Zufriedenheit folgte ein 1.9 jtd 16V. Natürlich chipgetuned, kommt man doch mit den serienmäßigen 150 PS kaum vom Fleck.

Die mit großem Abstand größte Schrottkarre aller Zeiten und mein definitiv letzter Alfa.

Herr Poschard von WELT trauert um Alfa, weil die Marke wohl der Fusion von Peugeot, Opel und Fiat zum Opfer fallen wird. Und das erscheint nicht ganz unwahrscheinlich, denn selbst Lancia – was, die gibt es noch – verkauft mehr Autos als Alfa Romeo.

Die von der European Automobile Manufacturers Association (ACEA) veröffentlichten Verkaufszahlen zeigen, dass Alfa in der ersten Jahreshälfte 2019 insgesamt 27.702 Autos verkauft hat, während Lancia zusammen mit Chrysler 34.767 Autos ausgeliefert hat. Nehmen Sie den Chrysler-Teil aus der Rechnung und Sie enden mit 34.700 Exenplaren… (https://de.motor1.com/news/361696/lancia-alfa-romeo-absatz-europa-2019/)

Und was will Alfa dagegen unternehmen? Alfa setzt auf Hightech und Infotainment.

Doch was sich etwa in Sachen Infotainment und Online-Services bei Giulia und Stelvio zunächst wie Fortschritt anhört, ist letztlich nur ein Aufholen. Denn große Displays, Touchbedienung, mobilen Hotspot und intelligente Navigationshilfen haben andere auch – oder schon lange.

 

Hervorzuheben ist allerdings die My-Remote-Einrichtung. Damit können Alfa-Besitzer per Smartphone oder Smartwatch bestimmte Funktionen ausführen, das Öffnen und Schließen der Türen beispielsweise. Auch die Ortung des Fahrzeugs ist möglich.

 

Noch interessanter die Einführung des autonomen Fahrens auf Level 2. Auch da ist Alfa kein Vorreiter, aber nun zumindest mit dabei. Verkehrszeichenerkennung, aktive Spurhaltung, aktiver Totwinkel-Assistent, aktive Tempokontrolle, Stau- und Autobahnassistent sind nun bei der Limousine und beim SUV mit an Bord. (https://www.kicker.de/763064/artikel)

Nichts von all dieser schwulen Scheiße habe ich in meinem C63. Und das Erste was ich abgestellt habe, als ich kürzlich mit dem VW T-ROC Leihwagen von München heimfuhr, war dieser bescheuerte Spurhalteassistent, der mir zudem bei jedem Spurwechsel ohne Blinker ins Lenkrad griff. Ich blinke grundsätzlich nie, und mit dem AMG schon gar nicht! Allenfalls, wenn ich einem noch größeren Predatoren kurz anzeigen möchte, dass ich schnell nach rechts springe, damit er schon mal rechtzeitig Vollgas geben kann, um bei deutlich über 200 km/h noch flott vorbeizuhuschen.

Ich kann Ihnen verraten, warum die Alfas sich so lausig verkaufen. Das hier ist der Grund:

Die Kiste hat 71.500 km gelaufen!

Für den 520 PS starken AMG habe ich mit 70.000 km 38.500 EUR brutto bezahlt. Und das ist kein 2.9 Liter Biturbo Rasenmäher von Ferrari, sondern ein gewaltiger 6.2 Liter Sauger, den mein Mechaniker als unkaputtbar bezeichnet, wenn man dem Motor nur ein wenig Pflege angedeihen lässt. Viel PS aus wenig Hubraum würde ich allenfalls den Japanern abkaufen, die haben da Jahrzehnte lange Erfahrung mit. Denken Sie nur mal an den legendären Nissan Skyline.

Hinzu kommt, dass Italiener oft totale Fehlkonstruktionen sind, wo für den Kupplungswechsel gerne auch mal der ganze Motor raus muss. Bei meinem Alfa 156 V6 konnten die hinteren Zündkerzen auch nicht ohne den Teilausbau des Motors gewechselt werden.

Nun sind 85.000 EUR im Vergleich zum Neupreis des C63 AMG natürlich ein wahres Schnäppchen. Aber die Preise für die Gebrauchten QV sind ziemliche Phantasiepreise, die sich vermutlich aus der Hoffnung speisen, dass ein paar notorische Alfisti bereits auf einen künftigen Klassiker spekulieren. Ich aber brauche ein schnelles und problemloses Alltagsfahrzeug, und für jede gebrauchte Giulia QV, die auf irgendeinem Händlerhof herumsteht, wird eine neue QV eben nicht verkauft. Nebenbei soll auch die Motorelektronik schon bei beinahe Neuwagen herumzicken (https://de.motor1.com/reviews/222018/alfa-romeo-giulia-quadrifoglio-dauertest/) was indiskutabel ist.

Ein großer Fehler von Alfa war es m.E. die Giulia nicht als Kombi (Sportwagon) herausgebracht zu haben. Dabei gab es durchaus verdammt leckere – inoffizielle – Studien.

Den C63 jedenfalls hätte ich mir als Limousine nie gekauft. So etwas fahren nur Türken. Powerkombis hingegen sind heute sozial akzeptiert, weil man dabei an einen gut situierten Familienvater denkt und nicht unbedingt an einen Single mit Platzbedarf für vier Paar Skier, so wie mich. Auch BMW erlaubt sich beim M3 diesbezüglich eine unnötige Schwäche, hat aber wenigstens den M5 als Transporter im Angebot.

Zu einigen Kommentaren zu Herrn Poschards Artikel sage ich besser nichts. Es sind die üblichen Neider, die 510 PS nicht nachzuvollziehen und schon gar nicht zu beherrschen vermögen. Diese Dieseldeppen halt, die sich an der Tankstelle einen auf ihren niedrigen Verbrauch runterholen und deren größter Spaß es ist im Campingplatzrestaurant bei Venedig ordentlich Parmesan auf ihre Spaghetti mit Meeresfrüchten zu streuen.

In einen Alfa Romeo einzusteigen ist wie in einer Bar im Zentrum von Mailand Platz zu nehmen, in einen Audi einzusteigen ist wie in einem Postamt in Berlin Schlange zu stehen. James May

Na ja, der Kollege May redet auch gerne mal so und mal so. Ab Minute 3:23 preist er den – untermotorisierten – RS4 nämlich ganz gewaltig an.

Schade, dass Alfa die Giulia QV zu dem Zeitpunkt nicht zu bieten hatte. Es wäre bestimmt ein sehr interessanter Test geworden. Aber Jeremy hat sie wenigstens später mal gefahren.

Der Alfa ist zweifelsfrei ein emotionsgeladenes Fahrzeug und vermittelt garantiert jede Menge Fahrspaß. Er ist ganz bestimmt ein toller Drittwagen, wenn Geschäftsführer-Papi am Wochenende mal den Firmen-E350 CDI 4matic stehen lässt und mit Mami und den Kinderlein ein paar schöne italienische Momente bei einem guten Italiener z.B. in der Eifel verleben will. Die Fahrt dorthin ist mit dem Alfa gewiss ein wunderbarer Appetitanreger, zumindest für Papi.

Die Mami hingegen klammert sich trotz der 3.900 EUR teuren SPARCO-Rennsitze eisern am Türgriff fest und der kleine Niko quietscht hinten nicht gerade vor Vergnügen, weil die Rücksitze leider nur wenig konturiert sind …

… (allerdings immer noch besser als beim C63) und er sich daher mangels umklappbarer Trennlehne (hat der C63) ständig mit der kleinen Karla ins Gehege kommt. Wenn ich als Kind Eines wirklich gehasst habe, dann war es auf der Rücksitzbank irgendeine Art von Kontakt zu meiner Schwester zu haben!

Für die eigentlich typische Klientel – nämlich jung gebliebene und leidlich solvente Kerlchen wie den kleinen Jerko – ist der Alfa als Limousine und einziges Fahrzeug eher nichts. Und zwar einfach deshalb, weil ich bereits bei Frauen schon lange nicht mehr allein mit dem Schwanz denke. In meinem Alter, also in dem Alter in dem man(n) sich solche Autos leisten kann, kommt es nicht mehr alleine auf Optik und Emotion an. Klar, wäre ich Clarkson und hätte ich dessen finanzielle Mittel, dann würde die Giulia QV bei mir in der Garage stehen. Und zwar direkt neben einem Ferrari California. Mit dem C63 aber habe ich das was einen Mercedes laut eigenem Werbespruch ausmacht. “Das Beste oder nichts.

Warum einen Kompromiss eingehen, wenn ich die eierlegende Wollmilchsau haben kann?

Und hier sehen Sie noch ein gewichtiges Argument gegen die Giulia QV:

Wenn der Alfa eine hübsche Bastelbude ist und mein AMG ein sauber und recht hochwertig verarbeitetes Auto, dann ist das da oben im Bild feinste Handwerkskunst in absoluter Vollendung. Und deshalb zigmal eher sein Geld wert als Alfa oder AMG.

Ich beginne so langsam über einen neuen Firmenwagen nachzudenken …

Aber ein Argument pro Alfa habe ich dann doch noch gefunden.

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