Youngtimerbericht: Mercedes W201 2.5 16V

Die Kreissäge in Rentnerkutschenform

Nachdem meine Ex-Modetante ihr W204 C-Klasse Kombi bekam mutierte ich mehr und mehr zum Mercedes-Fan. Ich selbst fuhr zu dem Zeitpunkt Alfa Romeo 156 Sportwagon …

alfa156

… und musste einfach eingestehen, dass der Mercedes in vielfacher Hinsicht das deutlich bessere Auto war. Zwar soff er bei Vollgas einiges mehr als der Alfa. Aber er war qualitativ und die reparaturbedingten Kosten betreffend das eindeutig bessere Auto. Da es ein Firmenwagen war, interessierten uns die Unterhaltskosten aber natürlich nicht. Jedenfalls überzeugte mich der W204 T so sehr, dass ich ihn heute bekanntlich auch fahre.

Unlängst danach las ich in der Motor Klassik einen Beitrag über den W201 16V. Und sah folgendes Video auf Youtube:

Dann erinnerte ich mich daran, dass ich von dem 16V als Schüler mal ein Herpa-Modell auf dem Schreibtisch stehen hatte. Also orderte ich erst mal das Modell bei Ebay. Und als ich das in Händen hielt kam der kleine Junge in mir (mal) wieder zum Vorschein. Also abends auf der Couch zum Rotwein bei mobile.de recherchiert. Und schon nach wenigen Tagen das passende Auto gefunden. Es stand im Sauerland, war mit der Zahnbürste gepflegt und mit grauseligen Borbet-A3-Felgen, weißen vorderen Blinkern, einer Extrem-Tieferlegung sowie einem winzig kleinen MOMO-Lenkrad übelst verhunzt. Und irgendein bescheuerter Sauerländer TÜV-Prüfer hatte den ganzen Müll auch noch eingetragen!

Aber der Zustand war so gut, das Auto völlig rostfrei und technisch einwandfrei, so dass ich beschloss zuzuschlagen. Als Sommerfelgen wurden Ceginus (auch Evo I genannt) und als Winterfelgen 16″ Gullideckel, wie ich sie auch auf dem 500 SL fahre, besorgt. Die extreme Tieferlegung durch die Prolloschlappen auf Borbet-A3-Felgen wurde aufgehoben und das Auto kam mit den 17-Zöllern (Serie waren 15″) beim gestrengen TÜV Wuppertal bei der maximalen Querverschränkung problemlos durch. Zuvor mussten die Federn allerdings wieder um 2 cm gelängt werden. Nachfolgende Bilder zeigen ihn noch vor der Längung.

Und selbstverständlich hat er heute wieder orange Blinker vorne.

w201-1

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Was für ein Spaßmobil, trotz Automatik. Geht echte 230 km/h und vermutlich sogar noch ein wenig schneller (der C 220 cdi meiner Ex hatte nie den Hauch einer Chance). In der Stadt hat die Automatik i.V.m. dem recht harten Kickdowndruckpunkt den Vorteil, dass man das Auto eigentlich eher gemächlich bewegt. Auf der Autobahn ist mit dem Wägelchen hingegen nichts anderes möglich als Vollgas. Denn der Sound hat absolutes Suchtpotential. Die Maschine dreht gleich einer Turbine über alle Drehzahlbereiche gleichmäßig hoch und aus dem Motorraum ertönt dieser kreissägenartige DTM-Rennmotorensound. Ich bin damit mal ganz früh am Morgen Richtung Kroatien losgefahren. Das Radio habe ich erst in Österreich angemacht. Bis dahin habe ich das Gekreische einfach nur genossen.

Was den Qualitätseindruck betrifft, so ist dieser erstklassig. Trotz Sportfahrwerk knistert und knarzt auch nach 20 Jahren noch nichts. Nur das Hartplastikarmaturenbrett zeigt, dass es sich seinerzeit um das Einsteigermodell der Marke handelte. Wenn auch mein Exemplar – übrigens eines der letzten 30 gebauten – seinerzeit 1993 einen stolzen Neupreis von über 93.000 DM hatte. Dafür hätte Mercedes das Armaturenbrett dann schon etwas wertiger gestalten können.

Wissen Sie übrigens wie viel 93.000 DM heute in EUR wären? Selbst bei einer rein linear gerechneten Inflation wären es heute 32,9675% mehr. Jetzt runde ich den Inflations/Inflationseffekt über den gesamten Zeitraum auf 35% auf (http://www.finanz-tools.de/inflation/inflationsraten-deutschland) und dann kostete so ein W201 2.5 16V im Jahre 2016: 93.000 DM = 47.550,14 EUR * 1.35 = 64.192,69 EUR.

Zum Vergleich: Heute kostet ein W205 250 mit 211 PS und 9-Gang-Automatik in der Basis gerade einmal 41.174,00 EUR: http://www.mercedes-benz.de/content/germany/mpc/mpc_germany_website/de/home_mpc/passengercars/home/new_cars/models/c-class/w205/configurator/configurator_w205.html#/p3501

Teurer geworden sind Autos also eigentlich nicht wirklich!

Inzwischen beträgt die Laufleistung des Babybenz knapp über 200.000 km und das Auto fühlt sich immer noch an wie ein Jahreswagen. Wenn man sich ein wenig geschickt anstellt und nicht größer ist als ich (178 cm) dann kriegt man auf der Rückbank gut zwei Paar 175er Skier und Skistiefel untergebracht und hat somit den Kofferraum noch für jede Menge Skiklamotten frei.

Inzwischen wird man mit diesem Auto auch nicht mehr für einen verarmten Proll mit Hang zu Tuningzubehör aus dem Baumarkt gehalten. Vielmehr wurde ich gerade von C-Klasse und besonders S-Klasse Fahrern häufiger darauf angesprochen, ob es sich um einen Evo1 handele oder das Serienmodell. Es ist das Serienmodell. Und dafür gibt es noch alle Ersatzteile, anders als für den Evo1, wo es wohl mit den Kolben Probleme geben soll. Für unter 10.000 EUR an bisherigen Gesamtkosten wurden mir bereits 2011 15.000 EUR für das Auto geboten. Das kleine Flügeltier wird meine Garage aber nicht vor dem Jahre 2023 verlassen. Dann feiert es 30sten Geburtstag und wird nicht unter 30.000 EUR in ein neues Zuhause rollen.

Wobei die noch weit übertroffen werden könnten, so wie sich die momentane Preisentwicklung darstellt. Denn der W201 ist allgemein als Youngtimer beliebt, handelt es sich doch um ein voll alltagstaugliches Auto. Und er wirkt gerade im Vergleich zur aktuellen C-Klasse W205 irgendwie geradezu entspannt unagressiv. Und trotzdem noch lange nicht aus der Mode gekommen. Er ist einfach schick und funktional, so wie es auch der W204 endlich wieder war. Der Rest dazwischen war einfach nur wirklich rentnerlike spießig (W202) …

w202

… oder bis zum Erbrechen langweilig (W203) …

w203

Gerade der W203 war ein grauseliges Auto, fehlte ihm doch die sonst von Mercedes bekannte markante Linie. Er war sowas wie der Vorläufer der rundgelutschten Japanscheiße, wie sie auch der W205 wieder darstellt:

w205

Ich würde mir diesen Müll niemals kaufen. Denken Sie sich einfach mal den Mercedes-Stern weg und Sie haben außer einer Poser-Karre mit irrsinnig großen Kühllufteinlässen schlicht nichts mehr. Der Chinese mag auf sowas stehen. Ich tue es nicht.

Der W201 ist flott, er ist zuverlässig, langstreckentauglich und meiner verfügt über eine Klimaanlage, so dass ich ihn im Sommer auch schon mal in Kroatien dabei hatte. Dort wunderte man sich etwas, kannte man doch meinen restlichen Fuhrpark, und verstand daher nicht so recht, was ich mit dem vermeintlichen Unterschichtsauto eigentlich will. Dass der W201 eine rollende Geldanlage ist, konnte man im Süden nicht so recht nachvollziehen.

Und wie sowas einmal deutlich mehr wert sein wird als der C126 500 oder gar der R129 500, verstand man erst Recht nicht. Aber die Youngtimerei hat sich in Kroatien eben noch nicht etabliert.

Besonders spaßig fand ich ein Erlebnis in Köln. Ich kam vom Kunden und saß im Windsor Sartorial in dem schwarzen Schmuckstück. Fährt ein junger Türke mit seiner Aischa in einem Mercedes CLK neben mich und hupte was das Zeug hielt. An der Ampel kurbelte ich das Fenster herunter (trotz Vollausstattung hatte sich der Erstbesitzer die elektrischen Fensterheber verkniffen. Allein der Geier weiß warum) und Turkboy zu mir: “Willsu verkaufen?” Ich nur zurück: “Kannst Du nicht bezahlen ohne Kredit! Und Kredit gibt Dir keine Bank“.

Er schaute recht doof aus der Wäsche und ich gab Gas. 😉

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