Youngtimerbericht: TVR 280 S1

Ich war so gerade 28 Jahre alt und hatte meinen ersten Job bei einem großen Nürnberger IT-Unternehmen. Ich war am Standort Düsseldorf stationiert und sehe eines Tages auf dem Kundenparkplatz einen TVR 3000S in british racing green (https://www.google.de/search?q=tvr+3000s&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwiwqZTW4IbKAhVCWxoKHbt_DyYQ_AUIBygB&biw=1280&bih=683). Was für ein geiles kleines Auto! Gefühlt so breit wie lang. Nicht so ein Schwuchtelcabrio wie MX-5 oder Fiat Barchetta. Wenige Tage später sah ich das selbe Fahrzeug beim Spazierengehen mit meiner Freundin bei mir in meiner Wuppertaler Wohngegend. “Haben wollen” !!!

Jetzt war ich aber gerade junger Angestellter und verdiente zwar recht gut – so kutschte ich beispielsweise mit einem BMW 520i als Dienstwagen herum – aber so ein 3000S in gutem Zustand lag seinerzeit (1998) schon irgendwo in der Ecke um 30.000 DM. Und das war damals nicht wirklich wenig Geld. Da ich von einer in finanziellen Dingen recht schlauen Mutter großgezogen worden bin, wusste ich, dass man Spielzeuge stets Cash bezahlt und niemals einen Kredit aufnimmt. Es sei denn es geht um den Erwerb von Immobilien. Ergo dauerte es bis 2002 zum Erwerb des Spielzeuges. Ich war nunmehr ein Jahr Selbständiger und es lief gut. Da der TVR 3000S aber Seitensteckscheiben hatte und auch der Ford Essex-Motor hinsichtlich der Ersatzteilversorgung schon problematisch war, wurde es der optische Nachfolger des TVR 3000S: Der TVR 280S1 “The Car that saved TVR“. Gekauft für seinerzeit 13.000 EUR.

MINOLTA DIGITAL CAMERA
150 PS Ford Cologne 2.8 Liter V6, 216 km/h v-max

Was für ein geniales kleines Auto! Der V6 bollerte durch die Edelstahlauspuffanlage beinahe wie ein V8. Gerade im Teillastbetrieb trompetete das kleine Auto dumpf und laut nach hinten heraus. Kollateralschäden wie z.B. taube Eichhörnchen in der Elfringhauser Schweiz waren unbedingt in Kauf zu nehmen. Die Verarbeitungsqualität war zufriedenstellend. Ab und an rappelte sich mal irgendwas los. Da aber bei diesem Modell vorwiegend metrische Schrauben verwendet wurden, war das selbst für mich mit meinen zwei linken Händen kein größeres Problem. Lediglich bei sehr hohen Außentemperaturen und/oder längerer schneller Autobahnfahrt gelangte das Kühlsystem an seine Grenzen. Aber dafür entwickelte Man(n) irgendwann auch ein Gefühl.

Bis auf den Austausch des Getriebes, des Differentials, der Lichtmaschine und des Anlassers hatte ich keinerlei Probleme. Das Auto hatte zu dem Zeitpunkt aber auch schon deutlich über 100.000 km und da hätte es auch jeden Ford bereits erwischt. Alle Ersatzteile gab es übrigens für kleines Geld vom gut sortierten Schrottplatz; es waren durchweg Ford-Cologne-Teile.

Ich konnte das Auto mehrere Jahre lang als Daily Driver bewegen, was für die Alltagstauglichkeit von TVR spricht. Nur für den Winter taugte er nichts. Die Heizung war einerseits zu schwach dimensioniert und selbst bei noch so minimalem Schneefall drehten die Hinterreifen gnadenlos durch. An ein Fortkommen im Winter war mit dem TVR 280 S1 nicht zu denken!

Er war einfach ein kleines, recht flottes, ziemlich lautes und bretthartes Cabriolet. So in etwa ein TR6 für Leute die keine Lust auf Rost haben aber in etwa das gleiche Fahrgefühl wollen. Extrem viel Bumms von unten heraus und ein Sound zum Niederknien. Dieser vor allem für den Fahrer selbst hörbar, ob offen oder geschlossen. Womit er sich deutlich vom TVR Griffith unterscheidet. Denn bei diesem – noch klangvoluminöseren automobilen Spielzeug – kriegt man jenen als Fahrer leider eher nicht mehr mit. Dafür die Umwelt aber umso mehr. Hierzu wird noch ein Bericht folgen.

Das Fahrverhalten mit der ursprünglichen Bereifung war allerdings eine rechte Katastrophe. Weshalb ich den kleinen S1 irgendwann auf 17″ Felgen von Brock stellte. Da die Bereifung mit 215 vorne und 235 hinten doch deutlich breiter war als die der zuvor montierten Reifen (195 v/h auf 15″ Felgen) machte ich mir zuerst Sorgen, ob das Fahrzeug ohne Servolenkung damit überhaupt noch vernünftig fahrbar sei. Aber welch Wunder: Mit Niederquerschnittsbereifung anstatt “Ballonreifen” auf 15″ Wolfrace-Felgen fuhr sich das Auto plötzlich als habe es eine Servolenkung. Und lag es zuvor schon wie ein Brett, schmierte es jetzt selbst bei Vollgas aus Haarnadelkehren nicht mehr hinten weg. Bei Trockenheit ein absolut phantastisches austariertes Auto, musste man sich doch nie Sorgen um ein Nachlassen der Traktion und damit verbundene eventuelle Ausflüge in die Botanik machen. Und das machte es für immerhin 150 PS bei der Kurvenhatz sauschnell, weil einfach Idiotensicher. Ich habe damit beim OGP am Ring auf der Schleife die Miatas wie der Teufel die Fliegen gefressen.

2010 verkaufte ich es für immerhin noch 10.000 EUR. Ob das eine gute Entscheidung war, weiß ich nicht. Aber ich hatte inzwischen schon zu viele Autos und mit dem Griffith 430 auch einen der wirklich großen und bösen TVR. Und so musste der kleine TVR eben ein neues Zuhause finden. In der Nachbetrachtung war es ein recht günstiges und viel Fahrspaß bietendes kleines Wägelchen. Ich wäre mit ihm allerdings vermutlich nicht bis z.B. nach Kroatien gefahren. Dies aber weil ich einfach gerne heize und den S1 damit auf der recht langen Strecke wohl zu Grunde gerichtet hätte. Mit dem Griffith z.B. war ich hingegen im Hochsommer in Wien und auch in Minga. Aber der Griffith fühlt sich bei 220 km/h eben erst so richtig sauwohl, wohingegen der arme Ford 2.8 V6 Langhuber des S1 die vielleicht im freien Fall so gerade noch schaffen würde, um kurz danach völlig überhitzt in all seine Einzelteile zu zerspringen.

Als Wochenendradaumacher ist der S1 aber nach wie vor unvergleichbar. Er ist laut. Er ist direkt. Er ist roh und hart. Er ist was für Männer! Im Gegensatz zum TR6 rostet er nicht, sofern man sich halbwegs um den Gitterrohrrahmen kümmert. MX-5, Barchetta, Porsche Boxter usw. Drauf g´schissen. Das sind sämtlichst Hühnerkarren. Der gute alte Alfa Spider käme dem TVR 280 S1 vielleicht noch am nächsten, hat aber nicht einmal im Ansatz dessen Punch. Derweil der 2.8 Liter V6 Motor des Ford-Granada in selbigem praktisch keinerlei Wirkung entfaltet schaut dies bei unter einer Tonne Leergewicht – wie im TVR 280 S1 – deutlich anders aus.

Leb wohl kleiner TVR 280 S1. Werde Dich für immer lieb haben!

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

0 Comments
Alle Kommentare anschauen